Experteninterview: Welche Steueränderungen müssen Vermögende nach der Wahl befürchten?

Erschienen am 4. Juni 2021

Dr. Dr. Rainer Zitelmann stellte je 3 Fragen an die beiden Top-Steuerexperten Prof. Dr. Adrian Cloer und an Hans-Joachim Beck.

Frage: Manche Vermögende überlegen sich, Deutschland zu verlassen, insbesondere dann, wenn unter veränderten politischen Rahmenbedingungen die Vermögensteuer wieder erhoben oder eine einmalige Vermögensabgabe eingeführt wurde. Derzeit gibt es ja schon die Wegzugssteuer. Wer ist davon betroffen und halten Sie eine Verschärfung für möglich?

Professor Cloer: Von der derzeitigen Wegzugsteuer sind alle Privatpersonen betroffen, die Beteiligungen an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften halten, wenn sie diese im Privatvermögen halten und die Höhe der Beteiligung mindestens ein Prozent beträgt oder innerhalb der letzten fünf Jahre betragen hat. Beschlossen ist zwar keine Ausweitung dieser Regelung i. S. einer Erfassung anderer Wirtschaftsgüter, aber eine ungünstigere Rechtsfolge: Denn derzeit besteht in der EU bzw. innerhalb des EWR eine unbefristete Stundungsmöglichkeit, diese fällt zum Ende des Jahres weg. Im Einzelfall kann zwar auch nach dem Jahreswechsel ein steuerneutraler Wegzug möglich sein, dies dürfte aber deutlich schwieriger werden. Eine weitergehende Verschärfung ist zurzeit nicht absehbar. Ein Wegzug mit anderen Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, wie z. B. einem Aktiendepot oder Kryptowährungen, bleibt daher ohne steuerliche Konsequenzen möglich.

Frage: Damit sich Vermögende nicht durch Auswanderung einer erhöhten Besteuerung entziehen können, haben immer wieder Politiker (z.B. der Grünen) gefordert, die unbeschränkte Einkommensteuer auch auf deutsche Staatsangehörige im Ausland auszuweiten. Man will sich dabei am Beispiel der USA orientieren. Wie könnte eine solche Regelung aussehen und wie schnell könnte eine neue Regierung eine so gravierende Änderung umsetzen?

Professor Cloer: Eine Anknüpfung der Besteuerung des Welteinkommens in Deutschland an die Staatsangehörigkeit ist vorstellbar. Das Beispiel der USA und auch anderer Staaten zeigt, dass dies durchaus auch umsetzbar ist. Für die betroffenen Personen ist dies aber häufig – nicht zuletzt wegen des verbundenen Deklarationsaufwandes – eine sehr lästige Angelegenheit. Im Ergebnis führte eine solche Regelung zu einer Erfassung von Personen, die in Nicht-DBA-Staaten ansässig sind. Wollte man auch Personen in DBA-Staaten erfassen, bedürfte es eines sog. treaty-overrides, weil in den etwa 100 deutschen Doppelbesteuerungsabkommen eine Besteuerung auf Grundlage der Staatsangehörigkeit nicht vorgesehen ist. In jedem Fall müsste dann die ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden. All dies zöge massiven Verwaltungsaufwand nach sich.

Fragen: Es gibt Forderungen, die Abgeltungssteuer abzuschaffen. Würde das nur für Zinseinkünfte oder auch für Dividenden gelten und wie wären die Auswirkungen für Unternehmer und Aktionäre?

Professor Cloer: Die Abgeltungsteuer gilt für Privatpersonen. Die Rechtfertigung für diese Regelung bestand u.a. in der Idee, Kapitaleinkünfte in die deutsche Steuerlegalität zurückzuführen, da sich früher die Finanzverwaltung Schwierigkeiten beim Informationsaustausch mit anderen Ländern ausgesetzt sah. Die heutige Ausgangssituation ist eine völlig andere, der Steuerbürger ist eigentlich gläsern und zwar fast weltweit. Käme es zur Abschaffung der Abgeltungsteuer, dann unterlägen alle Kapitaleinkünfte wohl dem regulären Einkommensteuertarif, lediglich bei Dividenden bedürfte es aufgrund der Vorbelastung auf Unternehmensebene einer Entlastung, nicht jedoch bei Zinsen und Veräußerungsgewinnen. Die Entlastung für Dividenden könnte für Privatanleger und betriebliche Anleger (d.h. natürliche Personen mit Beteiligungen im Betriebsvermögen) dann in einem einheitlichen Teileinkünfteverfahren einmünden. Ob es dann aber bei der 40%-Freistellung bleibt, ist abzuwarten.

Fragen an Hans-Joachim Beck, ehem. Vorsitzender Richter am FG Berlin und einer der besten Kenner der Steuerpolitik in Berlin

Frage: Für wie sicher halten Sie es, dass a.) bei einer Grün-Rot-Roten und b.) bei einer Schwarz-Grünen Regierung der §23 EStG unverändert bleibt, der die steuerfreie Veräußerung von im Privatbesitz gehaltenen Immobilien nach zehn Jahren erlaubt?

Beck: Ich gehe davon aus, dass der § 23 EStG geändert wird, so dass der Verkauf von Immobilien des Privatvermögens immer steuerpflichtig sein wird.

Frage: Wenn es zu einer Änderung kommt: Ich vermute, dann wären nur diejenigen nicht betroffen, deren Immobilie schon aus der jetzigen Spekulationsfrist von 10 Jahren herausgefallen ist. Oder können sich auch Immobilienbesitzer Hoffnungen auf eine Übergangsregelung machen, bei denen die 10 Jahre noch nicht abgelaufen sind?

Beck: Wenn die Frist von 10Jahren bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch nicht abgelaufen ist, wird wohl der gesamte Gewinn steuerpflichtig werden. Wenn die Frist schon abgelaufen ist, wird die Wertsteigerung steuerpflichtig werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes entsteht.

Frage: Können Immobilieneigentümer, die eine Änderung von §23 befürchten, mit Gestaltungen präventiv reagieren?

Beck: Wenn die Übergangsregelung so aussieht wie bei der Verlängerung der „Spekulationsfrist“ von 2 auf 10 Jahre, wird es keine Möglichkeit geben, dem zu entgehen. Allenfalls könnte es sinnvoll sein, den Verkehrswert der Immobilie bei Inkrafttreten des Gesetzes feststellen zu lassen – oder die Immobilie an eine eigene GmbH zu verkaufen, möglichst in eine Holding- Struktur.

Zitelmann: Auf einige Fragen konnte in dem Interview nicht eingegangen werden, die aber ganz entscheidend sind, z.B. die einmalige Vermögensabgabe. Der perfide Trick: Die Höhe des Vermögens würde nur einmal festgestellt, zum Beispiel zu einem bestimmten Stichtag in der jüngeren Vergangenheit, und die zu zahlende Summe einmal festgesetzt. Abgezahlt würde sie dann aber über einen längeren Zeitraum von 15 bis 20 Jahren. Das erklärte Ziel ist eine fiskalische Mauer, die es Vermögenden unmöglich macht, Deutschland zu verlassen.

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