Vermögende denken an Auswanderung – aber das hilft meistens nicht

Erschienen am 4. Juni 2021

Viele Vermögende fürchten gravierende Steueränderungen, besonders bei einer Grün-Rot-Roten Regierung. Was tun? Dr. Dr. Rainer Zitelmann sprach mit Prof. Dr. Dr. Olaf Gierhake:

Frage: Sie beraten viele vermögende Kunden. Beobachten Sie eine größere Sorge im Zusammenhang mit dem Ausgang der Wahl vom 26. September? Was befürchten die Vermögenden?

Prof. Gierhake: Sie befürchten, dass es mit Deutschland bergab geht. Die Tatsache, dass die aktuelle Bundesregierung mit dem Infektionsschutzgesetz gegen den Rat führender Rechtswissenschaftler offenkundig verfassungswidrige Regelungen verabschiedet hat und auch mit aller Härte exekutiv umsetzt, die fast alle Grundrechte deutscher Bürger ohne hinreichende evidenzbasierte Grundlagen mit Füssen tritt, empfinden viele als Dammbruch. Sie fragen sich, wie weit sich damit eine mögliche grün-rot-rote Regierung ermutigt sehen könnte, in der Zukunft weiterhin typische Freiheitsrechte, wie z.B. Reiserechte, die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit und auch Eigentumsrechte zu missachten oder „sozial neu zu interpretieren“, ohne das ein wirksamer Rechtsschutz hiergegen möglich sein wird.

Frage: Manche denken über Auswanderung nach, manche sogar über eine andere Staatsbürgerschaft. Welche steuerlichen Probleme könnten dadurch gelöst werden und welche nicht?

Prof. Gierhake: Kaum welche könnten gelöst werden. Die meisten Vermögenden machen ja – sorry – den Fehler, ihr Eigentum in Deutschland zu konzentrieren. Sie haben häufig fast nur deutsche Immobilien und deutsche Unternehmen. Mit diesen Vermögenswerten können sie umziehen, wohin sie wollen, die auf deutsche Vermögenswerte beschränkte Einkommen-, Erbschaft- und künftig auch Vermögenssteuerpflicht werden sie damit nie los. Auch nicht, wenn sie sich auf Nauru oder den Pitcairn Inseln verstecken. Loswerden tun sie, vielleicht, die deutsche Einkommensteuerpflicht auf liquide Anlagen, allerdings wird diese dann in der Regel durch die Besteuerung im Quellen- und Zuzugsland ersetzt.

Frage: Was sind die am meisten verbreiteten Irrtümer über Handlungsoptionen für Vermögende bei Steueränderungen?

Prof. Gierhake: Nun, viele denken noch an diskrete Auslandskonten, Auslandsgesellschaften und Auslandsstiftungen, die vielleicht vor 20 Jahren, wenn auch nur rechtsmissbräuchlich, möglich waren, heute aber längst nicht mehr. In der Schweiz und in Liechtenstein etwa werden deutsche Steuergesetze längst deutlich ernster genommen als in Deutschland selbst und als eigene Steuergesetze: Alle Erträge, die auch nur die theoretische Möglichkeit in sich bergen, in Deutschland steuerpflichtig sein zu können, werden längst durch automatisierte Kontrollmitteilungen direkt aus der Schweiz, Liechtenstein und fast allen anderen Staaten automatisch jährlich an die Wohnsitzfinanzämter aller deutschen Bürger gemeldet. Wer heute noch versucht, irgendetwas zu verstecken, kann nur als naiv bezeichnet werden.

Frage: Sie bevorzugen eine Lösung mit einer Stiftung in Liechtenstein. Bei Liechtenstein haben manche Menschen negative Assoziationen, aber Ihr Modell ist ja 100% legal. Können Sie es in wenigen Sätzen beschreiben?

Prof. Gierhake: Ich habe kein „Modell“ und auch keine standardisierte „Lösung“. Jeder Fall ist anders. Grenzüberschreitende „Modelle“ müssten seit der internationalen DAC-6 Richtlinie übrigens ebenfalls längst gemeldet werden, auch von uns. Meine Frau und ich haben u.a. das deutsche Steuerberaterexamen abgelegt und wir werden einen Teufel tun, irgendetwas vorzuschlagen, was nicht den steuerlichen Gesetzen in irgendeinem beteiligten Land entspricht. Die buchstäblich ersten, die bei uns von einer Stiftungserrichtung in Liechtenstein erfahren, sind die Mitarbeiter der zuständigen deutschen Finanzverwaltung. Im Grunde genommen machen wir nichts anderes, als das, was in den letzten Jahren viele Personen in Deutschland gemacht haben: die Gründung einer Familienstiftung, nur eben nicht in Deutschland, sondern im EWR-Land Liechtenstein, mit dem Deutschland seit 2009 eine Vielzahl von staatsvertraglich bindenden steuerlichen Kooperations- und Anti-Diskriminierungsabkommen geschlossen hat, die erfreulicherweise bislang auch von deutscher Seite in der Rechtspraxis Anwendung finden. Ist denn in einem vereinten Europa die deutsche Familienstiftung z.B. für Franzosen ein schlüpfriges „Modell“? Nein, finden wir auch nicht. Warum sollte es mit einer liechtensteinischen Stiftung für Deutsche – heute – anders sein?

Frage: Was ist aber mit der Schenkungssteuer, die in diesem Fall fällig wird. Ist es nicht ein wenig so wie: „Ich begehe mal Selbstmord aus Furcht davor, ermordet zu werden“?

Prof. Gierhake: Nein. In Deutschland ist – je nach Bundesland – bei Familienstiftungen zu deren Anerkennung ein Widmungskapital zwischen 30.000 Euro und 200.000 Euro erforderlich, auf die dann Schenkungssteuer von bis zu 30% zu entrichten ist. Das sind nach den anzuwendenden Vorschriften bis zu 70.200 Euro, einmalig. Na und? Das hindert viele Vermögende ja auch nicht daran, eine deutsche Familienstiftung zu errichten. Auch weil es im deutschen Steuerrecht viele weitere Wege gibt, schenkungssteuerfrei Vermögenswerte auf Familienstiftungen zu übertragen. Warum sollte sie also die deutsche Schenkungssteuer bei einer liechtensteinischen Stiftung stören, bei der es natürlich die gleichen Möglichkeiten gibt? Zumal eine richtig ausgestaltete liechtensteinische Stiftung eine Vielzahl von rechtlichen Vorteilen hat, die mit Steuern gar nichts zu tun haben und von denen die deutsche Stiftung nur träumen kann. Asset Protection zum Beispiel. Oder nehmen Sie mal nur die politischen Rahmenbedingungen, denen eine liechtensteinische Stiftung ausgesetzt ist: Liechtenstein ist staatsschuldenfrei, hat den Schweizer Franken als Währung, keine Haftungsunion mit der EU, mehr Arbeitsplätze als Einwohner, eine höhere Industriequote als Deutschland und – vor allem – eine demokratische Staatsverfassung mit Eigentumsrechten, die noch ernst genommen werden. Zudem mit einem erfolgreichen Unternehmer aus einer liberal denkenden Unternehmerfamilie als Staatsoberhaupt. Ausgestattet mit Veto-Rechten für alle Gesetzesvorlagen, die für das Land, dessen Wirtschaft und dessen Bürger in einer legislaturperioden- und generationsübergreifenden Perspektive schädlich sein könnten. Das langt doch, was will man mehr?

Prof. Dr. Dr. Gierhake spricht über diese Themen ausführlich bei der Veranstaltung am 6. Juli in Berlin: Zur Anmeldung.

Über den Autor