Die Herabstufung mehrerer europäischer Länder – so etwa von Frankreich und Österreich – durch S & P hat wieder eine Welle der Empörung über „die angelsächsischen Ratingagenturen“ ausgelöst. „Wir sollten lernen, ohne Ratings auszukommen“, so zitiert die FAZ vom 17.1. den EZB-Präsidenten Mario Draghi. Finanzminister Schäuble sagte im Deutschlandfunk: „Wir müssen in der Banken- und Versicherungsaufsicht darüber nachdenken, wie wir die Rolle der Ratingagenturen beschränken können.“ Und der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Meister sagte der FTD (16.1.): „Am Ende muss in jedem Fall eine Eigenbewertung erfolgen“. Es wurde bereits eine Gesetzesinitiative angekündigt, die in diese Richtung gehen solle.
Das ist die neue Linie: Noch vor wenigen Wochen drohte die Politik den Ratingagenturen mit einer drastisch verschärften Regulierung, die dazu führen würde, dass schon bei kleinsten „Methodenfehlern“ Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit angenommen würden, so dass die Agenturen horrende Haftungsklagen hätten befürchten müssen. Damit sollten die Agenturen eingeschüchtert werden. Das war jedoch eine ganz besonders dumme Idee, weil dies natürlich dazu führen würde, dass die Ratingagenturen aus Angst vor solchen Klagen viel früher als bisher Staaten herunterstufen würden. Es würde also genau das Gegenteil dessen bewirkt, was man beabsichtigt. Vielleicht haben das die Politiker inzwischen selbst auch gemerkt, und deshalb fühlen sie sich nun besonders schlau, wenn sie stattdessen ankündigen, dass Versicherer, Banken und andere Institutionelle sich künftig in ihren Anlageverordnungen nicht mehr auf Ratingurteile beziehen sollten, sondern stattdessen die Bonität der Emittenten selbst raten sollten.
Das ist etwa so, wie wenn der Gesetzgeber als Reaktion auf vermeintliche Fehler beim TÜV vorschreiben würde, dass künftig jeder Autofahrer seine eigene Jahreshauptuntersuchung durchführen solle, um damit die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.
Die Politik denkt sich eine „schlaue“ Idee nach der anderen aus, weil sie meint, die Ratingagenturen seien viel zu kritisch. Das eigentliche Problem liegt jedoch eher darin, dass die Agenturen lange zu unkritisch waren – und es immer noch sind. Wenn in den Ratings nur das nachvollzogen wird, was ohnehin jeder Zeitungsleser schon seit Monaten weiß, dann sollte die Kritik lauten, dass Staaten zu lange zu positiv bewertet wurden. Dass immens verschuldete Staaten wie Frankreich und die USA bis vor kurzem noch die allerhöchste Ratingstufe AAA hatten und nunmehr nur um eine Stufe heruntergestuft wurden, zeigt doch eher eine zu unkritische als eine zu kritische Haltung von S & P, Moodys und Fitch.
Politiker bringen nun wieder die Idee einer „europäischen Ratingagentur“ ins Spiel. Wenn diese ihre Arbeit gut macht, wird sie auch nicht zu besseren Urteilen über die Bonität der hoch verschuldeten kommen können als die drei genannten Agenturen. Und eine staatliche Agentur, wie sie etwa von SPD und Linkspartei favorisiert wird, wäre auch nicht viel glaubwürdiger als das „Neue Deutschland“ zu DDR-Zeiten.
Nur deshalb, weil die Medien zum Glück mächtiger sind als die Ratingagenturen hat man von politischer Seite noch nicht folgenden Vorschlag zur Krisenbekämpfung gemacht: Weil die Medienberichte über die Euro- und Finanzkrise diese verschärfen, wäre es besser, die Medien massiv zu „regulieren“ und mit Haftungsklagen zu bedrohen, wenn ihre Berichterstattung nicht den staatlichen Regularien entspricht. Alternativ dazu könnten auch per Gesetz Investoren und Bürger verpflichtet werden, ihre Informationen künftig ausschließlich aus offiziellen Regierungsverlautbarungen zu beziehen und nicht mehr aus der Presse… Sie lachen? Genauso abwegig sind jedoch auch die Vorschläge zur Regulierung der Ratingagenturen. Statt die Ursachen anzugehen, wird ziellos herumgedoktert. Es werden „Schuldige“ gesucht, um vom eigenen Versagen abzulenken. Die Theorie, drei „angloamerikanische Ratingagenturen“ hätten sich gegen Europa verschworen, ist abwegig. Wenn man von einer Verschwörung sprechen will, dann sollte man die Verschwörung der Regierungen und der Regierten gegen die nachfolgenden Generationen anprangern. Denn obwohl in jeder Politikerrede mindestens fünf Mal das Wort „Nachhaltigkeit“ vorkommt, ist die Politik seit Jahrzehnten genau dies nicht, weil Jahr für Jahr mehr Geld ausgegeben als eingenommen wurde, um Wohltaten der „sozialen Gerechtigkeit“ zu finanzieren. Jeder weiß doch, dass dies die Ursache der Staatsschuldenkrise ist, und nicht die Ratingagenturen, die – viel zu spät – konstatieren, dass die Staaten überschuldet sind.
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