Sündenbocke gesucht

Erschienen am 13. Februar 2012

Deutschland und die Deutschen werden in Griechenland – und nicht nur dort – immer wüster beschimpft. Dabei ist man vor allem nicht zimperlich damit, die Politik Angela Merkels in die Kontinuität zum nationalsozialistischen Deutschland zu stellen.

Was würden Sie zu folgendem Fall sagen?: Sie geben einem Freund, der nicht nur seit vielen Jahren weit über seine Verhältnisse gelebt, sondern Sie auch vorsätzlich über seine finanzielle Situation getäuscht hat, Geld. Sie geben ihm – obwohl Sie selbst erhebliche Schulden haben – sehr, sehr viel Geld, damit er nicht die Privatinsolvenz anmelden muss. Natürlich versehen Sie die Geldzuwendung mit einer Auflage: „Lieber Freund, bitte fange jetzt mal an zu sparen und lebe nicht mehr so sehr über deine Verhältnisse.“ Der „Freund“ verspricht Ihnen das, hält jedoch sein Versprechen nicht. Als Sie ihn an sein Versprechen erinnern, ist er maßlos empört und beschimpft Sie als üblen Nazi…

Genau dies ist die Situation derzeit mit Griechenland. In Griechenland gibt es sieben Mal mehr Beamte – gemessen an der Bevölkerungszahl – als in Deutschland. Also wird beispielsweise gefordert, die Zahl der Beamten drastisch zu reduzieren, bevor man weitere Zahlungen leistet. Griechenland hat immer wieder versprochen, diese Reformen umzusetzen. Und hat dieses Versprechen immer wieder gebrochen.

Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Deutschland selbst extrem hoch verschuldet ist. Dennoch ist die deutsche Regierung bereit, einen großen Schuldenschnitt zu akzeptieren. Indirekt, über die EZB, werden die südeuropäischen Schuldenstaaten massiv finanziert. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erkennen, dass damit die Stabilität des Euro zerstört wird. Die EZB ist längst zur Bad Bank für die südeuropäischen Schuldenstaaten geworden. Das kann nicht gut gehen.

In den südeuropäischen Ländern hat man den Schuldigen an der Krise also längst gefunden – es sind die Deutschen. Und in Deutschland? Die SPD hat, wie das HANDELSBLATT berichtete, beschlossen, den nächsten Wahlkampf mit einer aggressiven Anti-Banken-Propaganda zu führen. Der Feind sind die Märkte, genauer die Finanzmärkte, personifiziert durch „raffgierige Banker“, die gnadenlos an den Pranger gestellt werden sollen, um damit Stimmen zu mobilisieren. Damit wird die SPD mit Sicherheit viel Zustimmung ernten. Aber sind es wirklich „die Banker“, die an der Eurokrise schuld sind? Oder liegt die Ursache nicht vielmehr darin, dass die Einführung des Euro in Ländern wie Griechenland zu gigantischen wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hat? Das wollen die Politiker natürlich nicht so sehen, da eine kritische Diskussion über Sinn und Unsinn des Euro schnell zeigen würde, wer wirklich die Verantwortlichen an dem Schlamassel sind.

Der Euro war von Anfang an ein politisches Projekt. Das hehre Ziel: Die Einigung Europas sollte weiter vorangebracht werden. Misst man die tatsächlich erreichten Ergebnisse an diesem Ziel, dann ist jetzt schon klar, dass der Euro in seiner heutigen Form gescheitert ist. Denn niemals seit Ende des Zweiten Weltkrieges gab es so viel Nationalismus und wechselseitige Ressentiments zwischen den europäischen Völkern wie heute. Und diese Ressentiments werden sich weiter zuspitzen.

Statt als Katalysator der europäischen Einigung hat sich der Euro immer mehr als Spaltpilz Europas entpuppt: Griechen und Italiener schieben den Deutschen die Schuld dafür in die Schuhe, dass empfindliche Einschnitte in ihrem Sozialsystem gemacht werden müssen. Umgekehrt wächst in Deutschland verständlicherweise der Unmut über die Proteste in Griechenland und immer häufiger hört man Stimmen wie etwa: „Durch Dauerstreiks ist noch keine Wirtschaft wieder gesundet“.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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