Thatcher statt Tsipras

Erschienen am 6. Juli 2015

Die Griechen haben abgestimmt. Mit Nein – so wie von ihrer linksradikalen Regierung empfohlen. Das belegt für mich einmal mehr, dass die künstliche Unterscheidung zwischen „den guten Griechen“ und ihrer „schlechten Regierung“ zu kurz greift. Griechenland ist eine Demokratie. All die korrupten Regierungen der Vergangenheit wurden in freien Wahlen vom griechischen Volk gewählt. Und auch die jetzige linksextreme Regierung wurde in freien Wahlen gewählt. Das macht freilich die Regierungen nicht besser, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf das politische Urteilsvermögen der Mehrheit der Griechen.

Die Abstimmung mit dem „Nein“ zeigt: Es war – wieder einmal! – eine Selbsttäuschung der Europäer, wenn sie meinten, eine Mehrheit der Griechen sei nach einem halben Jahr der Tsipras-Regierung, die nichts als Unfähigkeit und ideologische Verbissenheit gezeigt hatte, tief enttäuscht und würden sich nunmehr von ihm abwenden. Manche Europäer hofften darauf, dass die Schlangen vor den Banken bei den Griechen zur Ernüchterung geführt hätten. Andere hofften darauf, dass die Mehrheit der Griechen erkennen würde, dass sich ihr Land und dessen Regierung in Europa hoffnungslos isoliert haben: 18:1.

Ich habe in meinem Kommentar in der vergangenen Woche von einer „Kontinuität des Irrtums“ in der europäischen Politik der „Griechenland-Rettung“ und in der Fehleinschätzung der griechischen Regierungen gesprochen.

Es ist auch falsch zu glauben, die Mehrheit derjenigen, die mit „Ja“ gestimmt hat, sei für eine vernünftige Politik. Nein, das waren mehrheitlich Anhänger der früheren Regierungsparteien, die jetzt nur die Befürchtung hatten, dass die radikale Politik von Tsipras Griechenland ins Chaos stürzen würde und die fürchteten, dass es bei einem „Nein“ zu Ende sein werde mit der europäischen Geduld und Transferpolitik. Deshalb stimmten sie mit „Ja“.

Was niemand in Griechenland will – was jedoch das Einzige wäre, was Griechenland retten würde – wäre eine griechische Margaret Thatcher.

Als Thatcher 1979 Premierministerin wurde, stand Großbritannien vor dem Bankrott. Die Gewerkschaften waren allmächtig und schadeten mit ihren Dauerstreiks der britischen Wirtschaft, die Staatsschulden explodierten, die Inflation und die Arbeitslosigkeit stiegen auf Rekordwerte. Als Thatcher 1990 abtrat, hinterließ sie ein wirtschaftlich gesundes und stabiles Land.

Die Ursache für den Niedergang Großbritanniens in der Zeit vor Thatcher war, dass die Regierungen vor ihr den Wohlfahrtsstaat extrem ausgebaut hatten und weite Teile der Wirtschaft in staatlicher Hand waren.

Das Programm Margaret Thatchers wäre heute das beste Gesundungsprogramm für Griechenland, aber auch für Länder wie Frankreich, Italien oder Spanien.

  • Beschränkung der Staatsausgaben durch Einsparung der laufenden Konsumausgaben. Als Thatcher an die Regierung kam, betrug das Defizit 4,4 % des BIP, zehn Jahre später war es nur noch 1,6%. Die Staatsschuldenquote wurde in weniger als einem Jahrzehnt von fast 55 auf 40 Prozent reduziert, die Staatsquote sank deutlich.
  • Reduzierung der Steuern: Unter Thatcher sank der Spitzensteuersatz von 83 auf 40 Prozent – zugleich wurde die Vermögensteuer reduziert.
  • Privatisierung: Ob British Telecom, British Airways oder andere Unternehmen: Thatcher privatisierte zahlreiche Staatsbetriebe. Für viele Menschen eröffnete dies neue Partizipationschancen – die Zahl der Aktionäre versechsfachte sich in ihrer Amtszeit.
  • Deregulierung des Arbeitsmarktes: Thatcher hatte den Mut, sich mit den allmächtigen Gewerkschaften anzulegen. Konsequent deregulierte sie den Arbeitsmarkt, der am Ende ihrer Amtszeit die geringste Regulierungsdichte von allen OECD-Staaten aufwies.

Genau das ist es, was Griechenland bräuchte:

  • Mehr Marktwirtschaft
  • Radikaler Abbau des Beamtenapparates
  • Umfassende Privatisierungen.
  • Und die nominalen Steuern könnte man in Griechenland sogar reduzieren, wenn man beginnen würde, sie überhaupt einzutreiben. Da ist aber ein gewaltiger Unterschied zwischen Großbritannien 1979 und Griechenland 2015: In Großbritannien gab es damals einen funktionierenden Staat mit einer funktionierenden (Finanz)verwaltung. In Griechenland gibt es das nicht.

Anders als den Briten damals fehlt den Griechen heute jede Einsicht in die Ursache für ihre Misere. Aus Sicht der Griechen sind Angela Merkel, Wolfgang Schäuble, die „Troika“ (= „Institutionen“) Schuld an ihrer Misere. Die Parole von Tsipras heißt – wie von allen Sozialisten und Kommunisten: Noch mehr Staat und noch weniger Markt.

Laut applaudieren Tsipras in Deutschland die Linke und große Teile der Grünen – und zeigen damit nur, wessen Geistes Kind sie sind.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.