Thomas Piketty ist ein lupenreiner Sozialist

Erschienen am 28. August 2021

Viele Gegner des Kapitalismus sprechen heute nicht mehr davon, dass der Kapitalismus abgeschafft werden müsse, sondern fordern seine „Einhegung“, „Korrektur“ oder „Verbesserung“. Stets enden solche Ideen im Sozialismus.

Intellektuelle denken sich ständig neue Konzepte für eine „Verbesserung“ des Wirtschaftssystems oder der Begrenzung seiner „Übel“ aus. Die Intellektuellen, die glauben, ein Wirtschaftssystem am Reißbrett konzipieren zu können, unterliegen dem gleichen Irrglauben wie jene, die meinen, man könne eine Sprache künstlich „konstruieren“ – all dies erfolgt stets unter der Überschrift der „Gerechtigkeit“ oder „Gleichheit“.

Das jüngste Beispiel dafür ist der französische Ökonom Thomas Piketty. In seinem viel beachteten Werk „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ hatte er noch betont: „Ich gehöre zu dieser Generation, die erwachsen wurde, als sie im Radio vom Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen hörte und die nicht das Geringste für diese Regime und das Sowjetsystem übrighatte oder ihnen nachtrauerte. Ich bin immun gegen die herkömmlichen und wohlfeilen antikapitalistischen Diskurse, die zuweilen dieses gewaltige historische Scheitern ignorieren und sich nicht die intellektuelle Mühe geben, diese Diskurse zu überwinden. Es liegt mir nichts daran, die Ungleichheit oder den Kapitalismus zu kritisieren…“

Das klingt auf den ersten Blick harmlos. Tatsächlich ist Piketty jedoch ein radikaler Antikapitalist und Verfechter des Sozialismus, wie er in seinem letzten Buch „Kapital und Ideologie“ belegt. In typisch konstruktivistischer Manier denkt er sich ein ideales Gesellschafts- und Wirtschaftssystem aus, das er als „partizipativen Sozialismus“ bezeichnet (um es abzuheben vom real existierenden Sozialismus, der schon in 24 Versuchen gescheitert ist). Er nennt sein System völlig zu Recht „Sozialismus“, denn im Kern geht es ihm darum „das gegenwärtige System des Privateigentums zu überwinden“.

Konkret soll das so aussehen: Jeder junge Erwachsene soll im Alter von 25 Jahren vom Staat einen hohen Geldbetrag geschenkt bekommen (Piketty nennt das „eine Erbschaft für alle“). Finanziert werden soll das durch eine Vermögensteuer, die in der Spitze 90 Prozent für die höchsten Vermögen beträgt. Auch Erbschaften werden mit bis zu 90 Prozent besteuert. Den Einwand, dass manche Vermögenswerte möglicherweise gar keine Einkünfte generieren und der Erbe dann gezwungen sein könnte, die geerbten Assets (z.B. Immobilien) zu verkaufen, lässt er nicht gelten. Im Gegenteil: Diese hätte, so Piketty, den Vorteil, „dass sie durch diese Vermögenszirkulation in die Hände potenziell dynamischerer Eigentümer kämen“.

Natürlich soll es auch eine entsprechend hohe Steuer auf die laufenden Einkünfte geben, die ebenfalls in der Spitze bis zu 90 Prozent betragen soll. Dieser Steuersatz wird auf sämtliche Arbeitseinkommen angewendet, aber auch auf Dividenden, Zinsen, Mieten, Gewinne usw.

Um das Privateigentum abzuschaffen, will Piketty bei den Aktiengesellschaften eine Regelung einführen, die auf den ersten Blick an die deutsche Mitbestimmung mit paritätischer Besetzung des Aufsichtsrates erinnert. Diese Regelung habe jedoch, so Piketty, den Nachteil, dass bei Stimmengleichheit die Stimmen der Aktionäre den Ausschlag geben. Dieser „Nachteil“ (dass also der Eigentümer eine Restkontrolle über sein Eigentum erhält), soll dadurch beseitigt werden, dass die Stimmrechte eines Aktionärs nicht mehr an die Höhe seiner Kapitaleinlagen gekoppelt sein sollen. „Bei Einlagen von mehr als 10 Prozent des Kapitals wäre nur ein Drittel der Einlagen oberhalb dieser Schwelle mit Stimmrechten versehen.“ Die Vorstellung, dass das Modell der Aktiengesellschaft mit der Regel „eine Aktie eine Stimme“ unabänderlich sein solle, sei abzulehnen.

Natürlich ist Piketty klar, dass die Eigentümer ein solches Land schleunigst verlassen würden. „Die einzige Strategie der Steuervermeidung, die ein solches System den Eigentümern … offen ließe, bestünde darin, das Land zu verlassen und die fraglichen Vermögenswerte zu veräußern.“ Um das zu vermeiden, müsste der Staat eine „exit tax“ (z.B. von 40 Prozent) einführen. Faktisch handelt es sich um eine „fiskalische Mauer“, die Unternehmer und anderen vermögende Personen, die keine Lust haben, in Pikettys „partizipativem Sozialismus“ zu leben, daran hindert, das Land zu verlassen.

Pikettys Beispiel belegt: Versuche, die zunächst scheinbar harmlos mit der Absicht daherkommen, den Kapitalismus zu „verbessern“, zu „korrigieren“ oder zu „reformieren“, enden stets im lupenreinen Sozialismus und in der Unfreiheit. Der Unterschied zum herkömmlichen Sozialismus besteht lediglich darin, dass das Privateigentum nicht mit einem Schlag durch Anordnung einer Partei verstaatlicht wird, sondern dass das gleiche Ziel über den Lauf einiger Jahre mit den Mitteln des Steuerrechtes und des Gesellschaftsrechtes erreicht wird. Der Rechtstitel des Privateigentums besagt ja nichts mehr, wenn andere darüber entscheiden, was damit geschieht. Pikettys Ideen passen leider hervorragend in eine Zeit, in der der Staat sich immer stärker in die Wirtschaft einmischt und Stimmungsmache gegen „Reiche“ betrieben wird.

Rainer Zitelmann ist Autor des Buches „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“.

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