Kein Tag vergeht, an dem nicht von Sozialdemokraten, Linken oder Grünen warnend darauf hingewiesen wird, man müsse mehr für den „Zusammenhalt in der Gesellschaft“ tun. Hinter diesem Begriff verbergen sich Neidkomplexe gegen „Besserverdienende“ und „Reiche“ und die Forderung nach mehr Umverteilung.
Der Zusammenhalt in der Gesellschaft sei die eigentliche „Schicksalsfrage“, betonte beispielsweise jüngst wieder SPD-Chef Sigmar Gabriel. Nach Meinung der Sozialdemokraten wird der Zusammenhalt dadurch gefährdet, dass die sogenannte Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergehe. „Besserverdienende“ müssten daher „Solidarität“ zeigen und endlich auch einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten.
Tatsache ist, dass sie das längst in überproportionaler Weise tun. In Deutschland zahlen jene 5 Prozent der Bürger, die am besten verdienen, 41,8 Prozent und 10 Prozent der Steuerpflichtigen zahlen 54,4 Prozent der Einkommensteuer. Dagegen tragen 50 Prozent der Steuerpflichtigen nur 7,1 Prozent zur Einkommensteuer bei.
Nimmt man die einkommensschwächsten und die einkommensstärksten 20 Prozent der Bundesbürger, dann beträgt bei den untersten 20 Prozent der Bevölkerung die Transferleistung (also Hartz IV und andere staatliche Zahlungen) 45,7 Prozent ihres Nettoeinkommens. Bei den obersten 20 Prozent ist die Bilanz negativ, sie bekommen 17,3 Prozent ihres Einkommens abgezwackt, um damit die Sozialtransfers für die unteren 20 Prozent zu finanzieren.
Auch die CDU sollte, so fordern manche aus deren Reihen, Steuererhöhungen in der nächsten Legislaturperiode nicht ausschließen. Und das, obwohl die Steuereinnahmen des Staates stärker sprudeln als je zuvor und die Bundesrepublik wegen der Nullzinspolitik der EZB jährlich viele Milliarden weniger zur Bedienung der Anleihenzinsen zahlen muss!
Wenn man darauf hinweist, dass Steuererhöhungen daher erstens überflüssig und zweitens kontraproduktiv sind und die Lage der einfachen Menschen auch nicht verbessern, dann wird einem entgegengehalten, sie seien dennoch wegen der „symbolischen Funktion“ wichtig. Sie dienten dazu, den „Zusammenhalt“ in der Gesellschaft zu stärken. Warum der „Zusammenhalt“ durch Zwangsumverteilung verbessert wird, also dadurch, dass man dem Teil der Gesellschaft, der ohnehin schon die höchste Steuerlast zu tragen hat, noch mehr wegnimmt, bleibt unerfindlich.
Zudem ist der Hinweis auf die „symbolische Wirkung“ ein verräterisches Argument, denn es zeigt, dass es sich hier tatsächlich nur um eine Neiddebatte handelt. Was ist mit der „symbolischen Wirkung“ nämlich anderes gemeint, als dass die Gefühle derjenigen befriedigt werden, die – ohne selbst einen Nutzen davon zu haben – eine gewisse Befriedigung darin finden, wenn man ihnen sagt, dass „den Reichen“ noch mehr von ihrem Einkommen oder Vermögen abgenommen werden solle?
Wird der „Zusammenhalt der Gesellschaft“ durch Umverteilung tatsächlich gefördert? Schwindet der Neid, wenn man den „Besserverdienenden“ und „Reichen“ noch mehr wegnimmt? Der Soziologe Helmut Schoeck hatte schon darauf hingewiesen, dass selbst eine erhebliche Verringerung der Einkommensspannen nicht zu weniger, sondern zu mehr Neid führen werde: „Die Kleinheit einer solchen Spanne löst nämlich keineswegs das Problem, wie man eine wirklich gerechte Einkommensverteilung zu gestalten hätte. Im Gegenteil: Je kleiner der Spielraum, je näher beisammen alle Einkommen liegen, desto faszinierter und neidischer blicken manche auf die noch vorhandenen Unterschiede.“
Abraham Lincoln, von 1861 bis 1865 Präsident der USA, hielt jenen, die die Reichen ablehnen, entgegen:
„Ihr werdet die Schwachen nicht stärken,
indem ihr die Starken schwächt.
Ihr werdet den Arbeitern nicht helfen,
indem ihr die ruiniert, die sie bezahlen.
Ihr werdet keine Brüderlichkeit schaffen,
indem ihr Klassenhass schürt.
Ihr werdet den Armen nicht helfen,
indem ihr die Reichen bekämpft.“
Tipp: Diese Gedanken werden weiter ausgeführt im Nachwort zu Rainer Zitelmanns Buch „Reich werden und bleiben„, das die Überschrift trägt: „Warum unsere Gesellschaft die Reichen braucht“.