„WIR SIND DAX“ – Durchbruch für die Immobilien-Aktie in Deutschland

Erschienen am 3. September 2015

„Wir“, das heißt die deutsche Immobilienbranche, sind im DAX angekommen. Die Aufnahme der Vonovia (ehemals Deutsche Annington), mit gut 350.000 Wohnungen Deutschlands größter Vermieter, ist ein wichtiges Signal für die gesamte Branche.

Die Immobilienbranche ist eine der wichtigsten Branchen in Deutschland – wird jedoch bislang nicht so wahrgenommen. Allzu einseitig wird das Berufsbild dieser Branche in der Öffentlichkeit von dem des Wohnungs-Vermietungsmaklers geprägt, weil die meisten Menschen mit dieser Berufsgruppe am häufigsten in Kontakt kommen.

Auf der Vonovia lastet eine immense Verantwortung für die gesamte Branche, denn ihr Handeln wird das Bild der Immobilienanlage in Deutschland nicht unmaßgeblich mitbestimmen. Und da sich alle Augen verstärkt auf den DAX-Wert richten werden, ist er auch angreifbarer: „Mieterschützer“ und „Aktionärsschützer“ wissen, dass das Unternehmen unter Beobachtung steht und daher verletzlich ist.

Für die Anlageform der Immobilien-Aktie ist der Aufstieg in den DAX ein Durchbruch. Ich habe genau vor 14 Jahren im September 2001 – damals zusammen mit IVG, Deutscher Euroshop, BauVerein zu Hamburg und Deutscher Wohnen – die „Initiative Immobilienaktie“ ins Leben gerufen, um diese Idee in Deutschland voranzubringen. Und ich habe schon vor vielen Jahren vorhergesagt, dass die Immobilien-Aktie in Deutschland erheblich an Bedeutung gewinnen wird. So ist es denn auch gekommen. Selbst 2004, als die Marktkapitalisierung aller deutschen Immobilienaktien zusammengenommen bei nur 6,5 Mrd. Euro lag (die der Vonovia liegt bei über 13 Mrd. Euro!) schrieb ich in meinem Buch „Vermögen bilden mit Immobilen“ trotzig: „Dennoch sollte die Immobilien-Aktie heute nicht vorschnell ‚abgeschrieben‘ werden.“

In anderen Ländern ist die Immobilien-Aktie die Regelform der indirekten Immobilienanlage. In Deutschland dagegen dominierten lange Zeit offene und geschlossene Immobilienfonds. Diese indirekten Anlagen wird es weiterhin geben – dort hat inzwischen ein Prozess der Marktbereinigung stattgefunden. Aber die Immobilien-Aktie wird weiter erheblich an Bedeutung gewinnen.

Leider haben weder deutsche Privatanleger noch deutsche Institutionelle bislang die Immobilien-Aktie angenommen. Mehr als 95 Prozent der Anteilseigner von deutschen börsennotierten Gesellschaften sind ausländische Investoren. Warum eigentlich?

Die etwas einfältige Sichtweise deutscher Investoren (egal ob private oder institutionelle) lautet: Die Immobilie steht für „Stabilität“ und geringe Volatilität, und da Aktien volatil sind, passt beides aus ihrer Sicht nicht zusammen.

Diese Anleger glauben, die Volatilität einer Anlage sei geringer, nur weil deren Wert nicht regelmäßig ermittelt wird. Ein Beispiel: Sie halten Immobilien für „sicher“, weil sie deren Wertschwankungen nicht täglich in der Tageszeitung nachlesen können. Wer ein Einfamilienhaus vor zehn Jahren gekauft hat, weiß nicht, wie viel es heute wert ist. Keine Zeitung berichtet darüber. Er könnte es erst erfahren, wenn er versucht, es zu verkaufen. Zwischen dem Zeitpunkt des Kaufes und des Verkaufes kann er sich der Illusion hingeben, der Wert seines Hauses sei gestiegen, auch wenn dieser in Wahrheit gefallen ist.

Bei geschlossenen Immobilienfonds oder bei vermieteten Eigentumswohnungen bzw. Mietshäusern fand bzw. findet keine regelmäßige Bewertung statt. Und selbst wenn ein Fonds bzw. eine Immobilie einmal im Jahr bewertet wird, dann ist die Volatilität schon wegen der selteneren Bewertung naturgemäß weniger sichtbar als bei einer Aktie, die jede Sekunde am Kapitalmarkt neu bewertet wird.

In Befragungen von privaten und institutionellen Investoren nach den Motiven für die Immobilienanlage erklären die meisten, dass sie die hohe „Stabilität“ schätzen. Der Eindruck der „Stabilität“ resultiert jedoch nicht zuletzt daraus, dass man die tatsächlichen Wertschwankungen wegen fehlender, selteneren oder auch wegen geschönten („geglätteten“) Bewertungen nicht sieht. Weil die Wertschwankungen, anders als bei Anleihen, Aktien oder Rohstoffen, unsichtbar sind, kann man sich einreden, sie seien sehr gering.

Das ist jedoch unsinnig. Und Volatilität ist für denjenigen, der sehr lange an einem Investment festhält, überhaupt kein Nachteil, sondern sogar ein Vorteil: Er kann zu Zeiten, wo der Aktienkurs unter dem Net Asset Value liegt, Immobilienbestände günstig erwerben. Diese Zeiten sind allerdings seit Jahren vorbei – werden jedoch naturgemäß wieder kommen. So wie ich die deutschen Institutionellen kenne, werden sie genau dann beginnen, in Immobilien-Aktien zu investieren, wenn diese viel zu teuer und überbewertet sind. Und wenn sie irgendwann wieder günstiger werden, dann werden sie unter Hinweis auf vorangegangene Kursverluste und hohe Volatilität die Finger davon lassen.

Was für Chancen haben private und institutionelle Investoren in den vergangenen Jahren verpasst, als sie Immobilien-Aktien links liegen ließen! Ich hatte vor einigen Jahren Gagfah-Aktien zu einem Durchschnittskurs von 4 Euro erworben, eine zweistellige Dividendenrendite erhalten und dann nach Verdoppelung meines Einstiegskurses wieder verkauft. Danach stieg der Kurs noch viel höher. Und leider hatte ich viel zu wenig Gagfah-Aktien gekauft, weil ich normalerweise gar keine Einzelwerte kaufe, sondern nur in ETFs investiere. Immerhin lag ich mit der Gagfah besser als so mancher Privatanleger, der in offene Immobilienfonds investierte, bei denen die durchschnittliche Performance in den vergangenen fünf Jahren laut OFIX-Index bei 0,6 Prozent p.a. lag. Im gleichen Zeitraum stieg der Deutsche Immobilien-Aktien-Index DIMAX um 130 Prozent.

In Deutschland gibt es bei Immobilien-Aktien nach wie vor einen erheblichen Nachholbedarf. Während es einige ernstzunehmende Player (Deutsche Wohnen, LEG, TAG, Adler usw.) im Bereich der Wohnimmobilien gibt, gibt es viel zu wenige börsennotierte Gesellschaften, die auf Einzelhandel, Büro und andere Segmente spezialisiert sind. Ich könnte mir darüber hinaus sehr gut auch Immobilien-Aktien vorstellen, die in Unternehmensimmobilien, in Hotels oder in Pflegeheime investieren.

Der Aufstieg der deutschen Wohnungs-Aktien ist übrigens auch eine bittere Niederlage für SPD, Grüne und Mieterbund: Die hatten sich bei Einführung der G-REITs massiv dafür stark gemacht, Wohnungsunternehmen auszuklammern. Anders als in allen (!) anderen Ländern auf der Welt, wo es REITs gibt, wurden in Deutschland Bestandswohnungs-REITs gesetzlich ausgeschlossen. Genutzt hat das nichts, denn der Markt hat sich dennoch durchgesetzt und auch ohne REIT-Status gibt es heute riesige börsennotierte Wohnungsgesellschaften, die es vor Einführung der REITs noch nicht gab.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.