Griechenland – oder: eine europäische Tragödie

Erschienen am 5. September 2011

„Griechenland verfehlt seine Sparziele“, melden die Medien. Die Gespräche mit der Troika von EU, IWF und EZB wurden abgebrochen – deren Vertreter reisten beleidigt aus Griechenland ab, weil wiederum deutlich wurde, dass das, was man dort versprochen hat, nicht gehalten werden kann.
Wen wundert das jedoch? Nehmen wir an, Sie sind hochverschuldet. Und nun kommt ein reicher Verwandter und garantiert Ihnen, dass er künftig für Ihre Schulden haftet. Er ermahnt Sie zwar mit strenger Stimme, sparsamer zu sein und runzelt die Stirn, wenn er Ihr Haushaltsbuch mit den Einahmen und Ausgaben prüft. Aber Sie wissen eben, dass er auf jeden Fall für Ihre Schulden aufkommen wird. Nachdem Sie jahrelang geübt haben, mehr auszugeben als einzunehmen, ist eine Verhaltensänderung ohnehin schon sehr schwer. Aber wenn Sie gar keinen triftigen Grund mehr haben, Ihr Verhalten zu ändern, weil Sie wissen, dass der reiche Verwandte letztlich doch für Ihre Schulden aufkommen wird, dann ist es mehr als nur unwahrscheinlich, dass Sie Ihr Verhalten grundlegend ändern.
Es kommt bei Griechenland noch etwas hinzu: Selbst mit einem Höchstmaß an gutem Willen und Opferbereitschaft wäre es unmöglich, die Ziele zu erreichen. Mir wurde das bewusst, als ich das Manuskript des nächste Woche erscheinenden Buches „Griechenland – eine europäische Tragödie“ von Wassilis Aswestopulos gelesen habe, das das volle Ausmaß und die Hintergründe der verfahrenen Situation in Griechenland erstmals analysiert. Das politische und wirtschaftliche System Griechenlands ist so marode und korrupt, dass eine Änderung durch die eine oder andere Reform oder durch bloßen Sparwillen unmöglich ist.
So wundert es auch nicht, dass Griechenland nunmehr gegenüber EU, EZB und IWF eingestehen musste, dass die Vorgaben für die Verschuldung, für die Sparanstrengungen und die Privatisierung massiv verfehlt werden. Und es verwundert auch nicht, dass die italienischen Politiker sich überlegen, warum sie durch „überzogene“ Sparanstrengungen, Ärger mit ihren Wählern riskieren sollten, wenn doch inzwischen deutlich wurde, dass Deutschland um jeden Preis am Euro festhalten wird und die Schuldenstaaten finanzieren möchte.
Werden die nächsten fälligen Milliarden an Griechenland überwiesen, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind? Damit rechnen die Griechen offensichtlich. Und ich vermute, sie werden Recht behalten. Sie werden, so wie jeder Schuldner dies tut, Besserung geloben – und werden ihr Geld bekommen.
Das eben ist die Logik der Transferunion, die jetzt deutlich wird. Sie löst Probleme nur sehr kurzfristig, verschärft sie aber mittelfristig umso dramatischer. Um bei dem Beispiel oben zu bleiben: Wenn sich immer mehr überschuldete Verwandte an Sie wenden und Sie um Geld anpumpen, dann werden auch Sie irgendwann arm werden.
Die Staaten haben privaten Schuldnern eines voraus: Sie können Geld einfach drucken. Der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB ist nichts anderes. Aber wer ist so naiv, dass er glaubt, man könne einfach grenzenlos Geld drucken und damit die Probleme lösen? Auch dies hilft eben nur kurzfristig, weil mittelfristig dadurch das Vertrauen in die EZB und in die Währung unterminiert wird.
Angela Merkel fährt jedoch einen „Augen zu und durch“-Kurs. Die linke Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei fordert sogar, den Weg in die Transferunion über die Einführung von Eurobonds noch schneller zu gehen. In der Union regt sich Widerstand. Ich bewundere den Mut des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach, der sich klar gegen den verhängnisvollen Merkel-Kurs stellt. Auch Hermann Otto Solms von der FDP hat jetzt Klartext gesprochen und für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone plädiert. Schade, dass die FDP nicht insgesamt den Mut hat, sich gegen den Kurs „Transferunion“ klar in Position zu bringen. Sie würde damit das artikulieren, was die Mehrheit der Menschen in Deutschland empfindet.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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