Runde zwei für deutsche Wohnungen beginnt

Erschienen am 15. September 2011

Der Hype für deutsche Wohnimmobilien hatte vor einigen Jahren zahlreiche branchenfremde Investoren angelockt, denen die spezifischen Risiken und Besonderheiten von Immobilieninvestments nur unzureichend bewusst waren. Ihre Exel-Prognosen basierten auf unrealistischen Annahmen über Mietsteigerungen und Privatisierungspotenziale (die regelmäßig überschätzt wurden) und einer gravierenden Unterschätzung von Leerstandsrisiken, Mietausfallquoten, Instandhaltungskosten bei Wiedervermietung usw. Die Kaufpreise waren mehr als sportlich – und schienen nur aus Sicht von Finanzakrobaten und Immobilien-Laien billig.

Oftmals waren die Investitionen (fast) vollständig fremdfinanziert, teilweise mit variablen Verzinsungen. Die Investoren, die naiver Weise Finanzprodukte erwarben, die mit solchen Krediten unterlegt waren, haben jetzt ebenso das Nachsehen wie diejenigen, die verbriefte Subprime-Kredite in den USA gekauft hatten.

Über den Hintergrund des Level One-Gründers Canet schreibt DIE WELT: „Der 36 jährige Cevdet Caner gilt als Enfant Terrible der österreichischen Finanzszene.“ Während seines Studiums habe er ein Call-Center gegründet und die Kundenbetreuung und Zustellung für den Henderlnbräter Wienerwald in Wien und Linz übernommen und Partys veranstaltet, auf denen sich die österreichische Prominenz tummelte. Sein Unternehmen, das er 2001 an die Wiener Börse brachte, sei von drei Euro auf 26 Cent abgestürzt. „Der gebürtige Kurde übersiedelte darauf nach Monaco und beschäftigte sich dann mit Immobilieninvestitionen. Im Jahr 2005 startete Canet die Immobiliengesellschaft Level One, die ihren Steuersitz auf der Kanalinsel New Jersey hat und überwiegend in Deutschland investiert.“

Es wird nicht bei der Insolvenz der Gesellschaften von Level One und Titan Holdings, die immerhin über 30.000 Wohnungen besitzen, bleiben. Andere werden folgen. Daraus ergeben sich Chancen für Investoren, die mehr von Immobilien verstehen und die jetzt die Chance haben, zu angemesseneren Kaufpreisen einzusteigen. Das Thema deutsche Wohnungen bleibt aus meiner Sicht hochinteressant.

Nachdem das Potenzial von Wohnungen zunächst über viele Jahre gravierend unterschätzt wurde (nur wenige deutsche Investoren wie etwa Reinhard Kruse von Gerling hatten es frühzeitig erkannt – aber diese sind auf dem Höhepunkt des Hypes wieder ausgestiegen), wurde es dann insbesondere von angelsächsischen Investoren ebenso gravierend überschätzt. Teilweise wurde mit einer raschen Erhöhung der Eigentumsquote in Deutschland um zehn Prozentpunkte gerechnet und völlig unrealistische Mietsteigerungspotenziale zugrunde gelegt.

Die „Story“ deutsche Wohnungen wird jetzt jedoch wieder interessant, wenn die Laien ihre Bestände abgeben müssen und Profis bereitstehen, die mit Know how, professioneller Due Diligence und realistischen Businessplänen zum Einstieg bereit sind. Die Mietsteigerungen in Ost- und Westdeutschland haben gerade erst begonnen. Und das, was die angelsächsischen Fonds damals ihren Investoren erzählten, dass nämlich der deutsche Wohnungsmarkt unterbewertet sei und aufgrund des dramatischen Rückgangs der Baugenehmigungen bei steigenden Haushaltszahlen bald mit einer Verknappung von Wohnraum und einem Anstieg von Mieten und Preisen zu rechnen sei, stimmt nach wie vor – und teilweise stimmt es heute mehr als vor zwei oder drei Jahren. Man braucht nur mehr Geduld und einen längeren Atem.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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