Warren Buffett zum 80. Geburtstag

Erschienen am 30. August 2010

Warren Buffett, der erfolgreichste Investor aller Zeiten, wird heute 80 Jahre alt – aus diesem Anlass ein Essay von Dr. Rainer Zitelmann, in dem er der Frage nach den Persönlichkeitskomponenten nachgeht, die dessen Erfolg erklären können.

Anfang Juli 1991 gab Bill Gates senior, der Vater des Microsoft-Gründers Bill Gates, ein Abendessen, an dem unter anderem auch Warren Buffett teilnahm. Da saßen nun zwei der erfolgreichsten Männer am Tisch, die abwechselnd in der Forbes-Liste der reichsten Männer der Welt den ersten Platz einnahmen. Der Vater von Bill Gates stellte beim Abendessen eine Frage an die versammelten Gäste: „Was denkt ihr, welcher wichtige Faktor hat euch dorthin gebracht, wo ihr heute steht? Was hat beim Erreichen eurer Lebensziele die wichtigste Rolle gespielt?“ Buffett antwortete spontan: „Fokus“. Und Bill Gates sagte dasselbe.

Fokus bedeutete für Buffett, sich über Jahre und Jahrzehnte ganz und gar auf die Erreichung eines einzigen Zieles zu konzentrieren. Bereits als Kind träumte er vom Reichtum und verschlang ein Buch mit dem Titel „One Thousand Ways to Make $ 1000“. „Die Gelegenheit ist da“, hieß es auf der ersten Textseite von Buffetts Lieblingsbuch. „Noch nie in der Geschichte der USA war die Gelegenheit für einen Menschen mit wenig Kapital so günstig wie heute, eine eigene Firma zu gründen.“

Buffett verkündete im Alter von elf Jahren, er werde mit 35 Jahren Millionär sein. Mit 16 Jahren besaß er bereits fünftausend Dollar, die er sich durch verschiedene Geschäftsideen und Sparsamkeit verdient hatte. Heute wären das über 55.000 Dollar – nicht schlecht für einen 16jährigen. Sein Ziel, Millionär zu werden, hatte er übrigens bereits mit 30 Jahren erreicht. Wobei man bedenken muss, dass damals eine Million Dollar natürlich sehr viel mehr waren als heute.

Warren Buffett ist bei allem fokussiert, selbst in der Freizeit. Eines seiner wenigen Hobbys ist es, Bridge zu spielen. Bill Gates hatte zuvor versucht, ihm die Anschaffung eines Computers mit dem Versprechen schmackhaft zu machen, er werde das schönste Mädchen von Microsoft aussuchen, damit ihm dieses Mädchen die Arbeit am PC beibrächte. Selbst mit diesem Versprechen konnte er Buffett nicht zur Anschaffung eines PCs überreden, da er seinen Nutzen nicht sah.

Erst als ihm eine Freundin erklärte, er könne sein Lieblingsspiel Bridge auch Online spielen, ließ er sich zur Anschaffung eines PCs überreden. Allerdings bestand er darauf, dass man ihm nur jene Funktionen erklärte, die für das Bridge-Spiel erforderlich seien, weil er sich ansonsten nicht für einen Computer und dessen sonstige Funktionen interessiere. Seine Einkommensteuererklärung könne er auch im Kopf machen, so Buffett. Für so etwas benötigte er keinen Computer. Aber alleine Bridge spielen, das ging eben ohne Computer nicht.

Als er einmal Freude daran gewonnen hatte, spielte er so konzentriert, dass ihn nichts hätte ablenken können. Er war so vertieft in das Spiel, dass er nicht einmal merkte, als einmal eine Fledermaus durch das Haus flatterte und aufgeregt durch das Fernsehzimmer flog. Seine Freundin schrie aufgeregt: „Warren, hier drin ist eine Fledermaus.“ Warren blickte nicht einmal auf, so vertieft war er in das Spiel, und sagte nur beiläufig: „Mich stört sie nicht im Geringsten.“

Nachdem Buffett eine zeitlang mit der zweimaligen Weltmeisterin Sharon Osberg Bridge geübt hatte, meldete er sich zusammen mit ihr zur Weltmeisterschaft an. Das war sehr ungewöhnlich für jemanden, der überhaupt noch niemals an einer Meisterschaft teilgenommen hatte. Buffett setzte sich an den Tisch und schien alles um sich herum komplett auszublenden – so als wäre sonst niemand in dem Saal. Die anderen Spieler hatten sehr viel mehr Erfahrung als er. „Doch er war in der Lage, sich auf das Spiel zu fokussieren und dabei so ruhig und gelassen zu bleiben, als spiele er bei sich daheim im Wohnzimmer. Seine Intensität glich die Schwächen in seinem Spiel aus“, heißt es in seiner Biographie. Buffett qualifizierte sich zur Überraschung aller Anwesenden bei seinem ersten Wettkampf überhaupt für das Finale der Bridge-Weltmeisterschaft. Doch durch die extreme Konzentration über anderthalb Tage war er so erschöpft und ausgelaugt, dass er nicht mehr antreten konnte. Die geradezu übermenschliche Fokussierung hatte ihren Preis gefordert.

Von außen betrachtet, sieht Warren Buffets Geschichte wie die Aneinanderreihung eines Erfolges an den anderen aus – und dies war sie auch. Doch diese Betrachtung ist zu oberflächlich. In Wahrheit war und ist Buffett vor allem ein Meister des Krisenmanagements, wie beispielsweise die Krise des Wertpapierhändlers Salomon Brothers zeigt: Warren Buffett war einer der wichtigsten Anteilseigner des Unternehmens. Gegen Ende des Jahres 1986 war er seinem Freund John Gutfreund zur Hilfe geeilt, als das Unternehmen in der Gefahr stand, von dem gefürchteten Unternehmensplünderer Ron Perlemann übernommen zu werden. Gutfreund wusste sich in dieser Situation nicht zu helfen, rief bei Buffett an und bat diesen, den „weißen Ritter“ zu spielen und in Salomon zu investieren, um das Unternehmen vor der Übernahme durch Perlemann zu schützen.

Buffett, der in einer Krise stets eine Chance sah, stimmte schließlich unter der Voraussetzung zu, 700 Millionen Dollar in das Unternehmen zu investieren, wenn er bzw. sein Unternehmen Berkshire damit 15 Prozent verdienen könnten. Im Rahmen dieses Deals erhielten Buffett und sein Partner Charlie Munger einen Sitz im Vorstand des Unternehmens – und dies sollte ihm dann selbst fast zum Verhängnis werden und ihn in eine der größten Krisen seines Lebens stürzen.

Wie die meisten dramatischen Krisen begann auch diese ganz harmlos. Buffett war mit seiner Freundin am Nachmittag des 8. August 1991 nach Nevada gefahren und verbrachte dort das Wochenende. Am Morgen hatte er einen Anruf aus John Gutfreunds Büro erhalten, in dem ihm ein Anruf des Salomon-Chefs für den Abend angekündigt wurde. Als Buffett abends im Steak House saß, rief ihn der Leiter der Rechtsabteilung von Salomon, Don Feuerstein, an. Gutfreund selbst saß noch im Flieger und konnte nicht mit Buffett sprechen.

Feuerstein erklärte Buffett, es gebe ein Problem. Paul Mozer, ein Mitarbeiter von Salomon, dessen Name Buffett noch nie gehört hatte, hatte mehrmals versucht, die mächtige Federal Reserve hinters Licht zu führen.

Zum Hintergrund: Salomon Brothers gehörte zu den wenigen so genannten Primary Dealern, die direkt Anleihen von der Regierung kaufen konnten und damit über eine enorme Macht verfügten. Nachdem Salomon in der Vergangenheit immer wieder versucht hatte, dieses Geschäft für sich zu monopolisieren, war der Anteil der Staatsanleihen, für den ein Einzelunternehmen bieten durfte, auf 35 Prozent begrenzt worden. Nun teilte Feuerstein jedoch Buffett mit, dass Mozer bei zwei Auktionen nicht autorisierte Gebote abgegeben hatte, die dieses von der Regierung vorgegebene Limit überschritten hatten. Dabei hatte er Namen von Kunden verwendet, um zusätzliche Gebote abzugeben, und die so erworbenen Anleihen dann auf das Salomon-Konto geleitet.

Das klang zwar alles nicht besonders schön, aber noch keineswegs dramatisch. Später stellte sich heraus, dass die Sache in der Tat sehr viel schlimmer gewesen war. Mozer hatte mehrfach so gehandelt, aber seine Chefs hatten davon schon seit Monaten gewusst und versucht, dieses Verhalten zu vertuschen. Wie in vielen Krisen kam die Wahrheit nur häppchenweise ans Tageslicht – und dadurch machte es das Management von Salomon noch schlimmer.

Wenige Tage, nachdem Buffett erstmals von der Sache erfuhr, drohte die Federal Reserve bereits, die weiteren Geschäftsbeziehungen mit Salomon einzustellen – was das sichere Todesurteil für das Unternehmen bedeutet hätte. Die Fed war verständlicherweise darüber verärgert, dass man zunächst versucht hatte, sie hinters Licht zu führen, und das Unternehmen dann auch noch die Verantwortlichen dafür deckte, statt diese zu entlassen. Das sah nicht gerade nach Einsicht, Lernbereitschaft und Übernahme von Verantwortung aus.

Ein Straucheln von Salomon Brothers hätte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon im Jahre 1991 zu ähnlichen Ereignissen geführt wie dann im Jahr 2008 der Zusammenbruch von Lehman Brothers. Denn Salomon hatte damals die zweit-umfangreichste Bilanz aller Unternehmen der USA. Nur vier Milliarden Dollar Eigenkapital standen 146 Milliarden Dollar Fremdkapital gegenüber; dazu kamen noch Derivate im Wert von mehreren hundert Milliarden Dollar. Das Unternehmen war zudem aufs engste vernetzt mit den anderen Investmentbanken an der Wall Street.

Die amerikanische Börsenaufsicht SEC begann zu ermitteln, immer mehr Einzelheiten über den Skandal drangen nach außen, und die Medien berichteten täglich und spekulierten über das Ende von Salomon Brothers. Die Kunden begannen zu flüchten, der Aktienkurs brach massiv ein.

In dieser Situation, das war allen klar, konnte nur noch ein Mann vielleicht die Rettung bringen, der sich über die Jahre nicht nur den Ruf eines hochintelligenten Investors, sondern vor allem auch eines absolut ehrlichen und geradlinigen Menschen erarbeitet hatte: Warren Buffett. Der Plan: Er sollte Interimsvorsitzender des Unternehmens werden und mit seinem guten Namen dem Unternehmen eine neue Zukunft geben.

Für Buffett war es eine der schwersten Entscheidungen seines Lebens, ob er dies tun sollte. Seine Biographin Alice Schroeder beschreibt die Situation am Freitag, dem 16. August, so: „Buffett war mittlerweile der zweitreichste Mann der Vereinigten Staaten… Er war einer der geachtetsten Geschäftsleute… Irgendwann an diesem langen, schrecklichen Freitag wurde ihm plötzlich schmerzlich bewusst, dass das Investment in Salomon, ein Unternehmen mit Problemen, über die er eigentlich keinerlei Kontrolle hatte, von Anfang an all das gefährdete, was er bisher erreicht hatte.“

Es schien fast unmöglich, das angeschlagene Unternehmen in dieser Situation zu retten. „Buffett hatte zwei Möglichkeiten: Er konnte entweder als Held aus der Angelegenheit hervorgehen, oder er konnte scheitern. Doch sich verstecken oder ausweichen konnte er nicht.“

Buffett hatte sich entschlossen, die Herausforderung dennoch anzunehmen. Wenige Stunden, bevor dies in einer bereits vorbereiteten Presseerklärung bekanntgegeben wurde, sickerte jedoch durch, dass das US-Finanzministerium bekannt geben würde, dass Salomon in Zukunft von der Gebotsabgabe in den Anleihe-Auktionen ausgeschlossen würde. Es war klar, dass dies definitiv das Todesurteil für das Unternehmen bedeutet hätte – ob nun mit oder ohne Buffett als Vorstand.

Buffett versuchte verzweifelt, im Ministerium anzurufen und dieses zu überzeugen, dass dies nicht nur das Ende des Unternehmens bedeuten, sondern auch eine verheerende weltweite Finanzkrise heraufbeschwören würde. Er war bereit, auch in einer fast aussichtslosen Situation die Verantwortung zu übernehmen und sogar sein wichtigstes Kapital – den guten Ruf, den er sich über Jahrzehnte erarbeitet hatte – aufs Spiel zu setzen. Er war aber nicht bereit, Selbstmord zu begehen.

Buffett setzte alles auf eine Karte – und gewann. Das Finanzministerium lenkte teilweise ein und revidierte seine Auffassung. Das Unternehmen, so die Entscheidung nach Buffetts Intervention, dürfe zwar nicht für Kunden Gebote abgeben, aber im eigenen Namen. Das war für Buffett das Wichtigste.

Die Aufgabe, das Chaos bei Salomon aufzuräumen, gleichzeitig die juristischen Ermittlungen zu begleiten und vor allem eine neue Unternehmenskultur zu schaffen, brachte Buffett an den Rand der Erschöpfung. „Die Sache machte mich fertig. Und ich konnte von diesem Zug nicht einfach abspringen. Dabei wusste ich noch nicht einmal, wohin der Zug mich bringen würde.“

Buffetts schwierigste Aufgabe war es, eine neue, ehrliche und transparente Firmenkultur zu entwickeln. In einer Ansprache an die Mitarbeiter sagte er: „Ich möchte, dass alle Mitarbeiter sich fragen, ob es ihnen recht wäre, würden ihre Handlungen am nächsten Tag auf der Titelseite ihrer Lokalzeitung diskutiert, sodass ihre Ehepartner, ihre Kinder und ihre Freunde lesen könnten, was ein sachkundiger, kritischer Journalist über das fragliche Vorgehen denkt.“

Die Mitarbeiter waren bereit, hier mitzugehen. Aber als Buffett dann ihre Boni massiv beschnitt, weil er meinte, es gehe nicht an, dass sie hohe Vergütungen bekämen, während die Aktionäre leer ausgingen, da wandten sich immer mehr von dem Unternehmen ab und suchten sich woanders einen Job. Abermals schien Salomon gefährdet.

Bußgelder, Vertragsstrafen, Rechtskosten und entgangene Geschäfte in dieser Affäre hatten sich auf schätzungsweise 800 Millionen Dollar summiert. Salomon überlebte die Affäre jedoch schließlich – und Buffett ging nicht nur finanziell gestärkt aus dieser Krise hervor, sondern hatte zur Legende vom genialsten Investor aller Zeiten einen weiteren Baustein hinzugefügt.

Buffett ist vor allem ein Meister des Krisenmanagements, und er war vor allem deshalb so erfolgreich, weil es ihm immer wieder gelang, ungewöhnlich schwierige Situationen brillant zu meistern. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte des Erwerbs der Tageszeitung Buffalo Evening News. Buffett, der ganz generell davon überzeugt war, dass Zeitungen ein hervorragendes Investment sein können, hatte viele Jahre nach einem geeigneten Investitionsobjekt gesucht. Im Frühjahr 1977 hatte er es gefunden. Für 35,5 Millionen Dollar erwarb er die Buffalo Evening News. Dies war der teuerste Kauf, den er bis dahin in seinem Leben getätigt hatte. Doch als er die Zeitung kaufte, ahnte er nicht einmal, welche Probleme sie ihm schon kurz darauf bereiten sollte.

In Buffalo lieferten sich zwei Zeitungen, der Courier-Express und die Evening News einen erbitterten Wettbewerb. Der Courier Express erschien sonntags und hatte als Sonntagszeitung praktisch ein Monopol. Buffett plante nun, den Evening Express ebenfalls sonntags erscheinen zu lassen, wogegen der Courier jedoch Klage einreichte. Buffett stand als jemand von außerhalb der Stadt da, der ein ortsansässiges Unternehmen mit langer Tradition durch unlauteren Wettbewerb ruinieren wollte.

Vor Gericht zitierten die Anwälte der Gegenseite eine Äußerung Buffetts, in welcher er ein Monopol oder eine den Markt dominierende Zeitung als erstrebenswert bezeichnete und mit einer mautpflichtigen Brücke verglich, die man unbedingt besitzen sollte. Das Gericht erlaubte den Vertrieb der Evening News als Sonntagszeitung nur unter völlig inakzeptablen Bedingungen. Buffett war es nicht gelungen, die Richter zu überzeugen.

Die Anzeigenkunden hielten dem Courier die Treue und der Gewinn, den die Evening News bislang gemacht hatten, verwandelte sich in einen saftigen Verlust von 1,4 Millionen Dollar. „Diese Nachricht erschütterte Buffett“, so seine Biographin Alice Schroeder. „Er hatte noch nie eine Firma besessen, die so schnell so viel Geld verbrannte.“ Buffett ging es sehr schlecht, denn hinzu kam, dass seine über alles geliebte Frau Susie ihm eröffnet hatte, sie wolle aus dem gemeinsamen Haus ausziehen, um sich selbst zu verwirklichen.

Die Buffalo Evening News waren zu diesem Zeitpunkt Buffetts größtes Einzelinvestment, – und es sah alles danach aus, dass dieses Investment im Ergebnis der juristischen Auseinandersetzungen ein kompletter Fehlschlag werden würde.

Buffett wollte schon aufgeben, aber sein Partner Munger überredete ihn, dennoch weiterzumachen und das Gerichtsurteil anzufechten. Im April 1979, anderthalb Jahre nach dem ersten Gerichtsentscheid, bekam Buffet dann doch noch Recht, als der Appellationsgerichtshof das ursprüngliche Urteil aufhob. Doch dieser Sieg kam spät, fast zu spät. Nicht nur war sehr viel Geld für Anwaltskosten verloren gegangen, sondern die Zeitung verlor auch massiv Anzeigenkunden und machte jedes Jahr mehrere Million Dollar Verlust. Ende 1980 waren die Verluste bereits auf zehn Millionen Dollar gestiegen.

Den Todesstoß versetzte der Zeitung ein von der Gewerkschaft organisierter Streik der Fahrer, die die Zeitung auslieferten. Buffett stellte das Erscheinen der Zeitung daraufhin ein und erklärte den Gewerkschaften: „Die Zeitung hat nur eine bestimmte Menge Blut. Wenn sie zu viel Blut verliert, wird sie nicht überleben… Wir werden die Geschäfte nur dann wieder aufnehmen, wenn es begründete Aussichten gibt, dass das Unternehmen lebensfähig sein wird.“

Diese Sprache verstanden die Gewerkschaften. Die Zeitung konnte wieder erscheinen. Und die Restriktionen für die Sonntagsausgabe galten nicht mehr. Die Konkurrenzzeitung, der Courier Express, verlor mehr und mehr Marktanteile und musste schließlich im September 1982 ihr Erscheinen einstellen. Die Anzeigenpreise und die Auflage der Buffalo News stiegen ständig und schon ein Jahr nach dem Streik machte die Zeitung einen Gewinn von 19 Millionen Dollar.

Mehr noch als der mögliche Verlust von Geld schmerzte es Buffett, wenn sein Image beschädigt wurde. Er galt in den 80er und 90er Jahren als Legende und wurde weltweit als genialer Investor bewundert. Doch dann entwickelte sich Ende der 90er Jahre die Aktienblase, besonders die Blase der Technologie- und Internet-Aktien.

Unternehmen der Technologiebranche, insbesondere Internet-Firmen, erzielten enorme Kursgewinne, teilweise von mehreren tausend Prozent. Analysten und Medien riefen das Zeitalter der „New Economy“ aus. Buffett erschien als Mann der „Old Economy“. Er investierte aus Sicht der Analysten in langweilige und altmodische Unternehmen wie etwa in Möbelhäuser, Hersteller von Rasierklingen, Zeitungen oder Coca Cola. Buffett, so hieß es überall, habe das neue Zeitalter der „New Economy“ komplett verschlafen.

Sein Alter und seine Prinzipientreue wurden nun nicht mehr mit Erfahrung und mit Konsequenz, sondern mit Altersstarrsinn und Sturheit assoziiert. Und die Zahlen schienen dieser Sichtweise vordergründig Recht zu geben, denn während der Anleger mit Fonds, die in Technologiewerte investierten, riesige Gewinne machen konnten, verlor Buffetts Aktie an Wert. Sogar Anleger, die einfach nur den Index nachgebildet hatten, fuhren besser als Buffett. Und dies, nachdem er zuvor über Jahrzehnte den allgemeinen Aktienindex stets haushoch geschlagen hatte. War die Zeit von Buffett vorbei? Viele sahen das so. Plötzlich war er eine „Ehemaliger“ – die Medien sprachen von dem „ehemals erfolgreichen Investor“. Die Wirtschaftszeitungen titelten: „Was ist los, Warren?“

Buffett widerstand jedoch trotz des Drucks der Anleger und der öffentlichen Meinung der Versuchung, auf den Technologie- und Internet-Zug aufzuspringen. Er hatte stets gepredigt, man solle nur in Unternehmen investieren, deren Geschäftsmodell man wirklich verstehe – und er sagte, von Technologieunternehmen verstehe er einfach nichts. Dies galt übrigens, obwohl er mit dem Microsoft-Chef Bill Gates eng befreundet war, der ihn in diesen Jahren in seiner Position als reichster Mann der Welt überholte.

Buffett wurde gefragt, ob er darunter litt, dass er nun als „Mann von Gestern“ abgeschrieben wurde. „Niemals. So etwas stört mich überhaupt nicht. Man kann nur erfolgreich investieren, wenn man selbständig und unabhängig denkt.“ Die Wahrheit, so Buffett, hänge schließlich nicht damit zusammen, ob die Leute einem zustimmen oder nicht. „Man hat Recht, weil die Fakten und der Denkansatz stimmen. Darauf kommt es letzten Endes an.“

Dennoch kann man sich gut vorstellen, dass Buffett, der einst so bewunderte und geachtete Investment-Guru, nun sehr darunter litt, dass sich die Leute öffentlich oder hinter seinem Rücken über ihn lustig machten und erklärten, seine Zeit sei abgelaufen.

Er war jedoch fest davon überzeugt, dass die Internet-Blase eines Tages platzen müsse – wenn er auch nicht voraussagen konnte, wann dies geschehen würde. Und sein innerer Kompass war ihm wichtiger als die Zustimmung der Masse. In einer Rede Ende der 90er Jahre fragte er seine Zuhörer, was einem denn lieber wäre: „Wärst du lieber der beste Liebhaber der Welt, den aber jeder für den schlechtesten Liebhaber hält, oder wärst du lieber der schlechteste Liebhaber, den jeder für den besten hält?“ Auf die Investmentwelt übertragen lautete die Frage: „Wenn die Welt deine Ergebnisse nicht sehen könnte, würdest du dann lieber als weltbester Investor gelten, in Wirklichkeit aber die schlechtesten Ergebnisse haben, oder würdest du lieber als schlechtester Investor der Welt gelten, in Wirklichkeit aber der beste sein?“

Buffett hatte sich für letzteres entschieden, aber konnte sich damit trösten, dass sich im wirklichen Leben dann mittelfristig doch herausstellen würde, wer in Wahrheit der beste Investor ist. Und nach dem Platzen der Internetblase bekam Buffett Recht, und die Stimmen, die ihn für einen Mann von gestern hielten, verstummten rasch.

Er aber hatte diese schwierige Zeit überstanden und an seinen Prinzipien festgehalten. Buffetts Weg ist ein Beispiel dafür, dass selbst die erfolgreichsten Menschen immer wieder vor große Prüfungen gestellt werden, deren Ausgang manchmal alles gefährden kann, was sie bis dahin erreicht haben.

Heute wird er 80 Jahre alt – und er verkündete, er denke gar nicht daran, mit der Arbeit aufzuhören. Vielmehr beabsichtige er, auch noch weit über die 100 hinaus zu arbeiten. Dass Gott ihm die Gesundheit dafür schenken möge, dies wünsche ich ihm. R. Z.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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