Was bedeuten die Enteignungsgesetze in Deutschland und den USA?

Erschienen am 23. März 2009

Der Bundestag hat am Freitag das auf die Enteignung der Hypo Real Estate zugeschnittene „Finanzmarktstabilisierungsänderungsgesetz“ mit 379 gegen 107 Stimmen bei 46 Enthaltungen beschlossen. Rainer Brüderle von der FDP sprach von einem „Tabubruch“ und sagte: „Heute ist ein Tag der Unfreiheit, heute wird eine Grundachse verschoben.“

Noch Anfang Februar hatte Michael Meister von der CDU öffentlich vehement gegen ein Enteignungsgesetz gewettert. Ich war damals skeptisch, ob Meister bei seiner Position bleiben werde und schrieb in meinem Kommentar in den IMMOBILIEN NEWS 06-09: „Michael Meister sagt, die CDU sei die Partei des Eigentums. Ob sie das wirklich ist, wird sich auch an ihrer Haltung zum geplanten Enteignungsgesetz zeigen. Ich bin skeptisch, ob sie nicht – trotz der scharfen Kritik von Meister – doch mitmachen wird.“ Leider habe ich Recht behalten: Meister hat am Freitag das Gesetz sogar in einer Rede vor dem Bundestag verteidigt. Und nur zwei CDU-Politiker und ein SPD-Politiker stimmten gegen das Gesetz. Die FDP stimmte aus grundsätzlichen Erwägungen gegen das Gesetz. Die Linkspartei stimmte ebenfalls dagegen, aber nur deshalb, weil nach ihrer Meinung nicht eine, sondern alle Banken enteignet werden sollten.

Das Schlimme an dem Gesetz ist – hier hat Brüderle Recht -, dass ein Tabu gebrochen wurde. Das Schlimmste ist jedoch, dass sich mehr und mehr in den Köpfen die Ansicht festsetzt, „der Kapitalismus“, „der Markt“ und „die Manager“ seien an der Katastrophe schuld. Die Wahrheit ist: Der marktfeindliche Machbarkeitswahn der Fed, die halbstaatlichen US-Monsterbanken Freddi und Fannie sowie die sozialpolitische Utopie der US-Regierung, wonach unbedingt auch Menschen aus „sozial benachteiligten“ Schichten ein Haus besitzen sollten, die damit völlig überfordert sind, waren die Quellen des Übels. In Deutschland haben Banken wie die Deutsche Bank, deren Vorstandsvorsitzender am Pranger steht, offenbar viel besser gewirtschaftet als die Staatsbanken. Wäre es da nicht konsequenter, staatliche Banken zu privatisieren als private Banken zu verstaatlichen?

Angeblich, so heißt es, hätte es keine Alternative zur Enteignung gegeben. Jeder, der etwas von der Materie versteht, weiß, dass das nicht stimmt. Der Staat hat lediglich die für ihn bequemste und billigste Variante beschlossen und damit die Unantastbarkeit privaten Eigentums in gefährlicher Weise relativiert.

Vergleichbares geschieht leider auch in den USA, wo Präsident Obama den Zorn der Bevölkerung gegen Manager massiv angeheizt und damit die psychologische Basis für höchst fragwürdige Gesetzesänderungen gelegt hat. Dass AIG-Manager Bonuszahlungen bekommen, obwohl der Staat Milliarden in das Unternehmen pumpen musste, ist sicherlich kritikwürdig. Ebenso bedenklich ist jedoch, dass am Donnerstag vom US-Repräsentantenhaus ein höchst fragwürdiges Gesetz verabschiedet wurde, wonach Manager, die mehr als 250.000 USD verdienen und deren Unternehmen mindestens fünf Mrd. USD aus dem halbstaatlichen Hilfspaket bekommen, mit 90% besteuert werden. Diese Besteuerung soll rückwirkend ab dem 31.12.2008 gelten. Immerhin haben in den USA 93 Abgeordnete gegen das Gesetz gestimmt. Angela Merkel, so berichtet die BÖRSEN ZEITUNG vom 21.3. hat diese „Sondersteuer“ gelobt und als „interessante Aktivität“ bezeichnet. Das wirft ein Schlaglicht auf das Rechtsverständnis der deutschen Bundeskanzlerin.

In beiden Fällen – in den USA wie in Deutschland – werden somit Gesetze beschlossen, die ganz offensichtlich auf bestimmte Einzelfälle (bei uns die HRE, in den USA die AIG) zielen und mit denen Privateigentum enteignet wird. In den USA geschieht dies sogar rückwirkend – eine Praxis, die leider auch in Deutschland bei Steuergesetzen Gang und Gäbe ist. Bedenklich ist es, wenn Gesetze ihren eigentlichen Charakter als abstrakte und für den Bürger im Voraus kalkulierbare Rechtsnormen verlieren, weil sie nach politischem Ermessen und allgemeiner Stimmungslage für Einzelfälle gemacht werden.

Damit wurden in Deutschland und den USA sehr gefährliche Exempel statuiert. In Zukunft wird es häufiger Gesetze geben, die Unternehmen oder Privatpersonen enteignen, wenn es entweder für den Staat bequemer bzw. billiger ist oder aber die allgemeine Stimmungslage der Bevölkerung bzw. das Empfinden der Politiker dies als angebracht erscheinen lassen. Damit geht ein Stück Rechtsstaat und damit auch ein Stück Freiheit verloren.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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